Gegendemo am vergangenen Samstag

„Ich sage nein zu Prophet“

In einem berührenden und persönlichen Statement nimmt Barbara Rauhe, besser bekannt als das Nordhäuser Original „Hannechen Vogelstange“, Stellung zur Stichwahl am kommenden Sonntag und ruft zur Wahl des amtierenden Oberbürgermeisters, Kai Buchmann, auf.

Eine wechselvolle Geschichte

Ich bin 1946 in Nordhausen geboren. Nordhausen, im Jahre 927 gegründet und eine freie Reichsstadt von 1220 bis 1802. Der Roland als Symbolfigur steht vor dem Rathaus und hat vieles schon gesehen. Auch ich habe viel erlebt in dieser Stadt und konnte mit ansehen, wie die Trümmerhaufen der Vernichtung der Stadt vom 4./5. April durch englische Bomber zu 74 % beseitigt wurden und Neues entstand.

Foto 1: Die zerstörte Rautenstraße

Ich habe Abitur gemacht, studiert, hier gearbeitet und eine Familie gegründet. Schon immer habe ich mich für die bemerkenswerte Historie der Stadt interessiert und dies z. B. auch meinen damaligen ausländischen Arbeitskollegen vermittelt. Dazu gehörte aber auch die unsägliche und leidvolle Geschichte des KZ Mittelbau-Dora vor den Toren Nordhausens.

Einige Male wurde ich Zeuge, wie ausländische Kollegen aus Trauer um ihre Familienangehörigen, diese Gedenkstätte nicht betreten konnten und bereits am Eingang bitterlich Tränen vergossen. Auch habe ich einige Jahre mit einem jüdischen Kollegen zusammengearbeitet, dessen Familie bis auf wenige Ausnahmen den Holocaust nicht überlebt hat.

Eingang zur Gedenkstätte Mittelbau-Dora

Foto 2: Die Gedenkstätte Mittelbau-Dora vor den Toren Nordhausens

Bisher fühlte ich mich in meiner Heimatstadt sehr wohl, die demokratisch und weltoffen regiert wurde. Seit 1995 engagiere ich mich jedes Jahr zum Altstadtfest im August und stehe als Original „Hannichen Vogelstange“ auf der Bühne und kritisiere in satirischer Form die Unzulänglichkeiten und Geschehnisse in Stadt und Land. Das Erhalten der Historie Nordhausens ist mir wichtig.

Ich habe einige Oberbürgermeister erlebt und im vertrauensvollem Gespräch mit ihnen konnten Differenzen ausgeräumt werden, gelebte Demokratie eben.

Nordhausen in schlechtem Licht

Dass aber Nordhausen heute bundesweit negativ in den Medien steht, ärgert mich sehr. Durch die jahrelangen Querelen und Dienstaufsichtsbeschwerden des Landrates gegenüber den Oberbürgermeistern ohne Erfolg und nun in diesem Jahr die durchgedrückte Suspendierung des amtierenden Oberbürgermeisters Buchmann im März diesen Jahres, die gerichtlich nicht anerkannt wurde, hat die Stadt weiter an Ansehen verloren.

Nun aber stehen wir bei der anstehenden Oberbürgermeisterwahl wieder in negativen Schlagzeilen. Ein Kandidat der AfD steht in der Stichwahl mit dem amtierenden Oberbürgermeister. Dieser ist durch seine veröffentlichten Schriften vom Verfassungsschutz als revisionistisch erfasst. In der Podiumsdiskussion zur Vorstellung der Kandidaten hat er behauptet, es sei eine Personenwahl, aber am 16.9. hat er eine AfD-Wahlkampfveranstaltung mit den Abgeordneten Krah und Chrupalla durchgeführt. In dieser wurden auch verachtende Äußerungen über die Teilnehmer einer Gegenveranstaltung getätigt, mit Studierenden, Politikern, Künstlern, Ärzten, Pfarrern, Organisationen und besorgten Bürgern.

Gegendemo am vergangenen Samstag

Foto 3: Die Gegendemo am vergangenen Samstag

Es kann und darf nicht sein, dass so eine geschichtsträchtige Stadt ihre Weltoffenheit, Demokratie, ihre Erinnerungskultur und wirtschaftliche Entwicklung und Daseinsberechtigung einer Hochschule mit vielen ausländischen Studenten verliert und die AfD durch ihren Kandidaten die Oberhand in Nordhausen gewinnt. Ich sage „Nein!“ zu Prophet und bekenne mich zu Kai Buchmann.

Bildnachweise

Foto 1: Stadtarchiv Nordhausen

Foto 2: JesterWr, CC BY-SA 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons

Beitragsbild & Foto 3: JH


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert