Massiver Protest vor dem Gewandhaus (Foto: LJ)

Hilflose Uni Leipzig: „AfD raus aus der Uni“ vor dem Gewandhaus

Die Immatrikulationsfeier der Universität Leipzig entwickelte sich für die Universität zum Desaster. Grund dafür war die Einladung, die vonseiten der Uni an AfD-Vertreter erging. Dagegen regte sich der studentische „AfD raus aus der Uni“-Protest, der in einer Demo vor dem Gewandhaus gipfelte. Wir waren dabei und berichten über die Vorgeschichte und Reaktionen der Universitätsleitung.

Es ist voll auf dem Augustusplatz. Im Gewandhaus findet gerade die Immatrikulationsfeier der Leipziger Universität statt. Rund 600 Teilnehmende haben sich vor dem Konzerthaus versammelt, um gegen die „weitere Normalisierung der AfD“, wie sie sagen, zu protestieren. Die meisten von ihnen sind Studierende, ab und zu sieht man auch Vertreter:innen anderer Organisationen – ein paar „Omas gegen rechts“ sind gekommen. Es ist friedlich: Man steht oder sitzt im Kreis, um den Redebeiträgen zu lauschen. Der Universitätschor singt für die Teilnehmenden. Wie kam es dazu?

"AfD raus aus der Uni"-Demo vor dem Gewandhaus

Protest am Mendelssohn-Brunnen: Rund 600 Teilnehmende kamen zur kurzfristig anberaumten Demo (Foto: LJ)

Die Vorgeschichte

Das neue Wintersemester beginnt. Wie jedes Jahr lädt die Universität die neuen Studierenden zur feierlichen Immatrikulationsfeier im Gewandhaus ein. Dort gibt es dann viele Festreden und musikalische Beiträge zu hören, aber vor allem ist das eine willkommene Gelegenheit, einmal ins Gewandhaus zu kommen, ohne dafür Eintritt zahlen zu müssen.

Es ist üblich, dass die Universitätsleitung zu solchen Anlässen politische Vertreter:innen aus der Stadt und dem Land einlädt. Die feierliche Immatrikulationsfeier ist eine gute Gelegenheit für die Universität sich darzustellen, Erfolge zu kommunizieren und gute Presse zu bekommen ‒ doch am Mittwoch ging die Rechnung nicht auf.

Alexander Wiesner (links) und Roland Ulbrich (rechts) sind zwei der AfD-Vertreter, die eingeladen wurden und in Verbindung mit rechtsextremen Strömungen in der Partei stehen (Foto links: Sächsischer Landtag, rechts: AfD-Fraktion Leipzig)

Das lag daran, dass die Universitätsleitung auch Vertreter der AfD einlud. Viele von ihnen sind Mitglieder der rechtsextremen Strömung der Partei. So fand sich unter den Gästen auch Roland Ulbrich, der in der Vergangenheit durch geschichtsrevisionistische Äußerungen auffiel. So verharmloste er z. B. die koloniale Vergangenheit des Leipzigers Zoos, der zwischen 1876 und 1931 zeitweise zum „Menschenzoo“ wurde, in dem „exotische Menschen“ angeschaut werden konnten. „Ob es besonders glücklich war, fremde Kulturen in Zoos zu betrachten, mag dahin gestellt sein“, sagte Ulbrich, aber fragte sogleich: „Wie lange sollen Vorfälle, die über 100 Jahre zurück liegen, noch aufgearbeitet werden?“ Von Leipziger Todesopfern rechtsextremer Gewalt sprach Ulbrich 2020 sarkastisch als „Edeltodesopfern“. als Reaktion auf den rechtsextremistischen Anschlag von Halle, bei dem versucht wurde, in eine Synagoge einzudringen fragte er: „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“

Screenshot des Facebook-Post von  AfD-Mann Ulbrich anlässlich des Terroranschlags in Halle (Foto: Tagesspiegel)

Screenshot von Ulbrichs Facebook-Post anlässlich des Terroranschlags in Halle (Foto: Tagesspiegel)

Auch Alexander Wiesner war zur Feier eingeladen. Der Landtagsabgeordnete warnt regelmäßig vor einer „Masseneinwanderung in unsere Sozialsysteme“ und ist zugleich Vorsitzender der Jungen Alternative in Sachsen. Die AfD-Jugendorganisation wird vom Sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Gerade an seiner Person entlud sich die Empörung vieler Teilnehmenden des Protests.

„AfD raus aus der Uni“

Entsprechend laut war der Protest. Vor dem Gewandhaus war die Stimmung zwar friedlich, aber auch laut aktivistisch. Es wurde zum „Kampf gegen den Faschismus“ aufgerufen, immer wieder riefen Sprechchöre „Alerta, alerta, antifascista!“. Im Gewandhaus störten Aktivist:innen die Rede der Universitätsrektorin Eva Inés Obergfell, durch den Beifall der Studierenden war sie nur kaum zu verstehen. An der Orgelempore wurde ein Banner mit der Aufschrift „AfD raus aus der Uni“ heruntergelassen. Die Rektorin übergab das Mikrofon an Vertreter:innen des Studierendenrats, die auch im Gewandhaus ihren Unmut äußerten.

Auch im Gewandhaus kam es zu Protest. Screenshot des Instagram-Posts des SDS Leipzig (Foto: SDS Leipzig, Screenshot LJ)

Auch im Gewandhaus kam es zu Protest. Screenshot des Instagram-Posts des SDS Leipzig (Foto: SDS Leipzig, Screenshot LJ)

Die Reaktion der Universität

Die Universität schien vom „AfD raus aus der Uni“-Protest und den Folgen ihrer Einladungspolitik überrascht. Scheinbar hatte man die Sprengkraft des Vorgangs unterschätzt. Im Nachhinein versuchte die Universitätsleitung die Wogen zu glätten und begrüßte das Engagement der Studierenden. Die Rektorin unterstrich „ihre klare Positionierung gegen Rechts“. Zugleich verwies die Universität darauf, dass die Einladungen an alle Vertreter:innen bestimmter demokratisch-gewählter Institutionen (Stadtrat, Bildungsausschuss usw.) ausgingen, unabhängig von deren Parteibuch. Die Universität sei zu politischer Neutralität verpflichtet.

Die Frage, die aber offen bleibt, ist, ob diese Neutralität auch gegenüber rechtsextremen Personen gilt. Vielleicht sollte eine staatlich-demokratische Einrichtung wie eine Universität gerade dort eine Grenze ziehen und von einer Einladung absehen. Denn eins ist doch klar: Nur eine wehrhafte Demokratie kann auch in Zukunft eine Demokratie bleiben. Der „AfD raus aus der Uni“-Protest in Leipzig zeigt, dass selbst eine scheinbar harmlose Einladung enorme politische Sprengkraft haben kann.

Red. Lea, Arvid


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