Wie spricht ein Rechtsextremer?

In der Debatte um die mögliche Wahl des AfD-Kandidaten Jörg Prophet zum nächsten Oberbürgermeister Nordhausens wird oft davor gewarnt, dass er rechtsextreme Sprache verwendet habe. Aber was ist rechtsextreme Sprache? In diesem Beitrag schauen wir uns an, woran man rechtsextreme Sprache erkennen kann.

Die Hauptmerkmale

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen schon lange die Eigenschaften und die Sprache der Rechtsextremen. Grob kann man fünf Merkmale des Rechtsextremismus zusammenfassen: Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Volkskollektivismus, Anti-Establishment-Haltung und Geschichtsrevisionismus. Gehen wir die einzelnen Merkmale nun einmal der Reihe nach durch…

Antisemitismus

Als Antisemitismus bezeichnet man eine Haltung, die Jüdinnen und Juden, das Judentum und die damit verbundene jüdische Kultur ablehnt und diesen in Ablehnung bis hin zu offenem Hass gegenüber steht.

Bild 1: Den sog. Judenstern mussten Jüdinnen und Juden unter der Nazi-Herrschaft gut sichtbar, auf ihrer Kleidung aufgenäht tragen.

Durch die Verbrechen der Nazis, die den Großteil des jüdischen Lebens in Europa auslöschten (das nennt man Shoah oder Holocaust), ist es heute (noch) weitestgehend ein Tabu, sich offen antisemitisch zu äußern. Rechtsextreme benutzen deshalb meist bestimmte Signalwörter, um sich antisemitisch zu äußern.

Da viele Jüdinnen und Juden aufgrund der dortigen Religionsfreiheit und aus Angst vor Verfolgung in die USA auswanderten und dort einige jüdische Familien auch zu wirtschaftlichem Erfolg gelangten, kommt Antisemitismus oft im Gewand von Antiamerikanismus daher. Rechtsextreme schimpfen dann auf das „US-Kapital“ oder prominente amerikanische Unternehmer wie George Soros. Während der Coronapandemie traten wiederholt Verschwörungstheorien in den Umlauf, die behaupteten, die Corona-Impfstoffe seien von jüdisch-amerikanischen Unternehmen entwickelt worden, um sich für die Verbrechen der Shoah zu rächen. An solchen völlig bescheuerten Theorien zeigt sich, warum der Antisemitismus auch die älteste Verschwörungstheorie der Welt genannt wird.

Antisemitismus zeigt sich aber auch in „harmloserer“ Form, etwa wenn die umstrittene Politik Israels immer wieder übermäßig scharf kritisiert wird. So wird z. B. Israel auf internationaler Ebene viel häufiger für seine Politik kritisiert als Staaten wie Nordkorea, Syrien, Russland oder Iran.

Fremdenfeindlichkeit

Fremdenfeindlichkeit heißt: Man lehnt alles ab, was nicht dem kulturellen Mainstream entspricht und anders, eben „fremd“ ist. Dieses „Fremde“ wird dann als bedrohlich angesehen und müsse bekämpft werden.

Bild 2: Besonders das Kopftuch wird gern als Symbol der Fremde verwendet. Ausgerechnet ein weibliches Symbol…

Die extreme Rechte bedient sich immer wieder fremdenfeindlicher Sprache, da warnt man wahlweise davor, dass Deutschland in „Clan-Kriminalität“ und Gewalt unterzugehen drohe oder dass Geflüchtete nur in die deutschen Sozialsysteme einwandern wollen würden. Rechtsextreme bezeichnen Muslima als „Kopftuch- und Messermädchen“ und warnen regelmäßig vor einer „Umvolkung“ oder einem großen „Bevölkerungsaustausch“. Das ist Sprache, die bereits die Nazis verwendeten.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Geflüchtete und Menschen, die nicht auf den ersten Blick der deutschen „Mainstream-Kultur“ (was auch immer das sein möge) angehören, als Masse und nicht als einzelne Menschen betrachtet werden und Deutschland durch sie vor einer existenziellen Bedrohung stehe.

Volkskollektivismus

Der Volkskollektivismus bezeichnet eine rassistische Ideologie, die behauptet, dass es so etwas wie eine „Volksgemeinschaft“ oder einen „Volkskörper“ gebe, der einen „Volkswillen“ hätte. Deshalb kann man auch so einfach von „Volksverrätern“ sprechen. Nur die Nazis kannten den „Volkswillen“ (wie praktisch…). Die Nazis sprachen deshalb auch nicht von Bürgerinnen und Bürgern, sondern von „Volksgenossen“. Dabei ist die Kategorie des Volkes immer ethnisch, also über die Abstammung bestimmt. Wer wirklich „deutsch“ ist, muss schon seit Ewigkeiten deutsche Vorfahren haben.

Bild 3: Auf dem Reichsparteitag der NSDAP wurde oft der „Volkswille“ beschworen.

Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass in Reden rechter Politiker:innen oft vom „Volk“ gesprochen wird. Du solltest dir dann immer die Frage stellen: Was ist mit „Volk“ gemeint? Nur weil vieles nicht ausdrücklich gesagt wird und oft Rassismus und rechtsextreme Ideologie nur versteckt auftauchen, heißt das nicht, dass man ihnen nicht auf die Spur kommen kann. Deshalb ist es immer wichtig genauer nachzufragen: Wer redet vom „Volk“? Gehören dazu auch muslimische, jüdische, queere nicht-weiße Menschen? Besteht das „Volk“ aus einer grauen Masse oder wird ein vielfältiges Bild verschiedener Menschen gezeichnet? Diese Fragen lassen sich oft durch das Setting einer Rede leicht beantworten. So kann man die implizite rassistische Volks-Definition der Rechten entlarven. Nicht Rechtsextreme bestimmen, wer zu unserem Volk gehört, sondern wir alle!

Anti-Establishment-Haltung

Man kennt es: Die ewig alte Leier von „denen da oben“ oder „den Politikern“. Populisten lehnen gerne einfach mal alle gesellschaftlichen Vertreter:innen ab, die unsere Gesellschaft mitbestimmen. Sie lehnen die bürgerliche Gesellschaft ab, die die bisherige politische Ordnung gestaltet und trägt. Das machen nicht nur Vertreter von rechts, sondern leider auch viele von links.

Bild 4: Anti-Establishment-Plakat in London gegen die dortige Regierung

Rechte Parteien bedienen sich dafür aber oft sprachlicher Muster, die schon die Nazis benutzten. Rechtsextreme Sprache macht seit den Nazis einen Unterschied zwischen dem „Natürlichen“ und dem „Künstlichen“. Sie nannten ihre Partei eine „Bewegung“, eine „Organisation“ (da steckt organisch drin), während sie die anderen Parteien nur „das System“ nannten. Auch heute wähnen sich viele AfD-Politiker:innen als Teil einer „Bewegung“, während die anderen nur die „Altparteien“, „Volksverräter“, das „Regime“ oder „System“ sind. Man muss tierisch aufpassen, dass man die Sprachmuster der Rechtsextremen nicht übernimmt und z. B. selbst von „Altparteien“ spricht. Das ist in der deutschen Sprache schon oft geschehen. Wir sprechen heute selbstverständlich von Organisationen.

Geschichtsrevisionismus

Kommen wir zum letzten Punkt, zum Geschichtsrevisionismus. Rechtsextreme arbeiten seit Jahrzehnten hartnäckig daran, die mühsam aufgebaute und gepflegte Erinnerungskultur in Deutschland zu untergraben. Das machen sie auf unterschiedliche Art und Weise. Einmal, indem sie ganz beiläufig Nazi-Sprachmuster verwenden und z. B. von einem „langen Marsch nach Berlin“ oder so reden. Der italienische Faschist Benito Mussolini marschierte einst auf Rom, Hitler scheiterte in den 1920er mit seinem „Marsch auf Berlin“.

Gleichzeitig werten sie zentrale Momente der deutschen Erinnerungskultur ab. So wird z. B. die Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 (40 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht), in der er den 8. Mai einen Tag der Befreiung für uns alle nannte, als „Rede gegen das Volk“ abgewertet. Die deutsche Erinnerungskultur wird gerne (so auch von Jörg Prophet) als „Schuldkult“ bezeichnet. Das ist rechtsextreme Sprache!

Bild 5: Die Gedenkstätte Mittelbau-Dora ist heute der wichtigste Ort der Erinnerungskultur in Nordhausen.

Außerdem werden immer wieder bestimmte Anlässe (z. B. die Jahrestage der Bombardierung von Dresden oder Nordhausen) als Gelegenheit genutzt, um zu behaupten, dass die Alliierten im 2. Weltkrieg schlimmste Kriegsverbrechen am deutschen Volk begangen hätten. Dabei verschweigen Rechtsextreme immer, dass diese Bombardierungen Folgen eines von Nazi-Deutschland ausgelösten Weltkriegs sind und ebendiese Alliierten auch zum Wiederaufbau Deutschlands beigetragen haben. So schlimm das Ende des 2. Weltkriegs für die deutsche Zivilbevölkerung auch war, so stehen die Bombardierungen in keinem Vergleich zu den fürchterlichen Verbrechen der Shoah und dem Terror, den Nazi-Deutschland über Europa und die Welt gebracht hat.

Was kann ich tun, um rechtsextremer Sprache entgegenzuwirken?

  1. Informiere dich über die Verbrechen der Nazis und deren Methoden.
  2. Hinterfrage dein eigenes Sprechen, Denken und Hören. Wo gehst du der Sprache der Rechten auf den Leim?
  3. Benenne klar, wenn jemand rechtsextreme Sprachmuster verwendet. Damit trägst du dazu bei, dass rechtsextreme bzw. Nazi-Sprache ein Tabu bleibt.

Falls du mehr über Rechtsextremismus und rechte Sprache lesen willst, schau doch hier rein:

Victor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen, Leipzig 1946.

Das ist die sprachliche Untersuchung der Nazi-Herrschaft. Klemperer war selbst Jude und überlebte die Shoah nur knapp. Das Buch ist zwar alt, aber leicht zu lesen und gibt seltene Einblicke in die Sprache, aber auch den Alltag in Nazi-Deutschland.

Gabriele Nandlinger: Wann spricht man von Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus oder Neonazismus….?, in: bpb.de. https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/41312/wann-spricht-man-von-rechtsextremismus-rechtsradikalismus-oder-neonazismus/?p=all (Stand: 20.09.2023)

Red. Arvid

Arvid schrieb seine Seminarfacharbeit über die Sprache der Rechtspopulisten und schaute sich dafür das Reden von Björn Höcke, dem AfD-Chef in Thüringen, an. Die Erkenntnisse seiner Arbeit sind in diesem Beitrag kurz zusammengefasst.

Bildnachweise

Beitragsbild (Header): Rufus46, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons

Bild 1: Jacek Proszyk, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Bild 2: Beth Rankin (BohPhoto) from Kent (OH), USA, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons

Bild 3: Bundesarchiv, Bild 183-1982-1130-502 / CC BY-SA 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons

Bild 4: Garry Knight, CC BY-SA 2.5 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5, via Wikimedia Commons

Bild 5: JesterWr, CC BY-SA 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons


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